Gutes tun – und zwar nicht “nur“ für sich selbst, sondern gleichzeitig auch für andere. Genau dies war mein Motivationsansatz, die Initiative „Charity Yoga für Kumanga e.V.“ im Juni 2019 ins Leben zu rufen. Einmal im Monat habe ich, damals noch unter freiem Himmel im Düsseldorfer-Hofgarten – später dann online via Zoom, einen 90 minütigen Yoga-Kurs angeboten – jede und jeder war herzlich eingeladen teilzunehmen und mit einem freien Spendenbeitrag die Initiative zu unterstützen. Im Rahmen dieser Initiative mit dem gemeinnützigen Verein Kumanga e.V. zu kooperieren, stellte für mich eine Herzensangelegenheit dar. Als großer Fan der Rösterei 4 in Duesseldorf weiss ich es immer sehr zu schätzen, bei einem Kaffee vor Ort gefiltertes Trinkwasser für eine beliebige Spende trinken zu können. Mir gefällt der Ansatz sehr auf diese Art dafür zu sensibilisieren, dass der Zugang zu Trinkwasser – nicht so wie bei uns – eben nicht überall gegeben und selbstverständlich ist. Fast 1 Milliarde Menschen weltweit haben heute immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Malawi gehört zu den (wasser-)ärmsten Ländern dieser Welt, daher setzt sich Kumanga e.V. dort u.a. für den Bau von Trinkwasserbrunnen ein. Besonders gut gefällt mir, dass Kumanga e.V. als gemeinnützige Organisation für mich im Vergleich sehr greifbar ist; viele der Rösterei 4-Mitarbeiter vor Ort waren selbst schon einmal in Malawi und sind für einen kurzen persönlichen Erfahrungsaustausch immer zu haben. Das Thema Wasser über eine Kooperation mit Kumanga e.V. im Rahmen meiner Charity Yoga Initiative in den Fokus zu stellen, ließ eine wunderbare Synergie entstehen, denn auch im Kontext des Yoga ist die ausreichende Versorgung mit Wasser für das Wohlbefinden und die Gesundheit fundamental. Mit großer Hoffnung setzte ich mir damals den Bau eines neuen Trinkwasserbrunnens in Malawi zum Ziel. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kumanga e.V. bereits über 20 Trinkwasserbrunnen vor Ort umgesetzt. Mit einer Spendensumme von 3.500 EUR könnte dieser Bau umgesetzt werden. Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment, das Ziel in dieser Höhe definiert zu haben: Hoffend, irgendwie mit viel Geduld und Zuversicht diesen Spendenbeitrag in Summe zu sammeln – gleichzeitig aber auch sehr verunsichert, ob dieses Ziel nicht von vorne rein viel zu hoch gesetzt und total utopisch war. Doch genau 18 Monate später, im November 2020 haben wir die benötigte Summe von 3.500 EUR dank unterschiedlichster Yogi-Spender über all die Monate hinweg erreichen können. Von Beginn an hatte ich den Wunsch, den Bau des Trinkwasserbrunnens in Malawi zu begleiten und mir einen eigenen Eindruck der Umstände vor Ort zu machen. Genau dies ließ sich im Dezember 2020 realisieren, nachdem ich alle mir zugänglichen Risikofaktoren im Hinblick auf die Corona-Pandemie und anderen potentiellen Gefahren abwägte.
Da im Dezember in Malawi Regenzeit ist, habe ich meine Reise für ca. 3 Wochen angesetzt, denn je nach Wetterumstände hätte sich der Brunnenbau ggf. etwas verzögern können. Für den Bau des Trinkwasserbrunnens habe ich mich gemeinsam mit Kumanga e.V. für einen Vorort der Hauptstadt Lilongwe entschieden, da hier – trotz Nähe zur Hauptstadt – unzählige Gemeinden entweder gar keinen oder keinen sauberen Zugang zu (Trink-)Wasser haben. Die Situation in den sogenannten “Suburbs“ kann unter Umständen nämlich noch viel kritischer sein, da Verschmutzungen und Abfälle aus der Hauptstadt oftmals nicht richtig abtransportiert oder entsorgt werden, sondern lediglich „nach außen“ verschoben werden, worunter die betroffenen Gemeinden an den Stadträndern u.U. sehr leiden. Neben dem Bau des Trinkwasserbrunnens der Charity Yoga Initiative sollten in dieser Region parallel 4 weitere Trinkwasserbrunnen von anderweitigen Spendengeldern umgesetzt werden. Dies ist von großem Vorteil, gleichzeitig mehrere Gemeinden unterstützen zu können, um Ungleichheiten ausbalancieren zu können. Daher ist es von großer Bedeutung, bereits im Vorhinein die einzelnen Gemeinanden persönlich anzusprechen, das geplante Vorhaben zu teilen, zu besprechen und die Gemeinden insbesondere im Rahmen der Umsetzungsplanung einzubinden. Nachdem all diese Vorbereitungen und Planungen – bereits vor meiner Ankunft in Malawi – stattgefunden hatten, wurde nach meiner Ankunft ein offizieller Besuch gemeinsam mit Kumanga e.V. organisiert, um auch mir die Ortschaft zu zeigen, in der der Trinkwasserbrunnen gebaut werden sollte.
Der Tag des ersten offiziellen Besuchs war in vieler Hinsicht magisch. Schon als wir uns dem mit der Dorfgemeinde ausgemachten Treffpunkt mit dem Auto genähert hatten fingen bereits die ersten Gesänge von den Einheimischen an. Unzählige Menschen aus allen Richtungen sind gekommen, um uns singend, tanzend – insbesondere die Kinder wirkten sehr erfreut und neugierig – bereits beim Aussteigen zu begrüßen. Zugegebenermaßen war es zu Beginn sogar ein ganz komisches Gefühl, von so vielen Menschen unterschiedlichst angeschaut zu werden – erfreut, fragend, verunsichert, kritisch, begrüßend, hoffnungsvoll und viele weitere Ausdrücke trafen sich hier in diesem einen Moment. Doch im Ganzen war die Stimmung war unglaublich belebend, positiv und herzlich. Die Menschen hatten sich bereits versammelt an dem Platz, wo der sogenannte Chief als Oberhaupt der Gemeinde bereits auf uns gewartet hatte, um uns zu begrüßen und willkommen zu heißen. Glücklicherweise hatte uns ein enger Partner des Vereins begleitet, um die Übersetzung durchzuführen und damit die Kommunikation sicherzustellen. Plastikstühle standen bereits bereit, auf die wir uns platzieren durften. Einige wenige Männer nahmen Platz auf einer Holzbank, die große Mehrheit der Gemeinde hat sich auf den Boden gesetzt.
Der Ort machte einen sehr einfachen aber dennoch sehr geordneten Eindruck auf mich. Es gab keine bebauten Wege geschweige denn Schilder oder Beschriftungen und von der Vegetation war es zumindest innerhalb der „Dörfer“ sehr trocken. Die meisten Hauser, aus (Ziegel-)Steinen gebaut, wirkten auf mich einfach und teilweise provisorisch, die wenigsten verfügten über Fenster oder Türen, das Leben findet sehr offensichtlich draussen und vor allem miteinander statt. Auch bei den darauffolgenden Besuchen fällt auf, dass vor allem die Frauen innerhalb der Dörfer sich oft an einer zentralen Stelle versammeln, gemeinsam Wäsche waschen, Mais trocknen und die Mahlzeit am offenen Feuer zubereiten. Die Menschen sind sehr einfach gekleidet, insbesondere die Kleidung der Kinder ist in den meisten Fällen verschmutzt und an vielen Stellen zerrissen, die wenigsten Kinder tragen überhaupt Oberteile. Es ist davon auszugehen, dass die wenigsten Kinder eine Schule besuchen, denn auch bei den wiederkehrenden Besuchen unsererseits findet man die Kinder immer draussen im Freien miteinander spielend – entweder mit aus zusammengeknüddelten und -geklebten Plastikbällen oder Stöcken und Steinen aus der Natur.
Noch immer lag die gesamte Aufmerksamkeit bei uns Gästen. Der Chief übernahm das Wort, indem er vor ganzer Versammlung das geplante Vorhaben erläuterte; im Namen der gesamten Gemeinde wird ein Dank ausgesprochen. Zu unserer Überraschung wurde sogar ein traditionell malawischer Tanz namens „GULE WAMKULE“ mit Kostümen organisiert; normalerweise wird dieser Tanz an entweder nur bei sehr besonderen Anlässen veranlasst. Es wurde getanzt, mit Trommeln Musik kreiert, gesungen, gelacht und gefeiert. Dieser Moment war unglaublich schön, denn diese Zeremonie stellte für mich einen wunderschönen Augenblick der Verbundenheit dar, des Gleichseins – allesamt belebt durch die Musik, den Tanz und die Freude. Es gleicht jenen Momenten, wo jede Form von Barriere verschwindet und alle auf einmal die gleiche Sprache sprechen. Die offizielle Begrüßungszeremonie wurde durch eine kurze Ansprache durch Kumanga e.V. und meiner selbst ergänzt. Bei dieser lag es uns besonders am Herzen auf Wichtigkeit eines sogenannten Wasser-Komitees innerhalb der Dorfgemeinde hinzuweisen, das dafür sorgt, dass die Pflege und Instandhaltung des Trinkwasserbrunnens langfristig sichergestellt ist. Leider zeigen viele Beispiele, nicht nur in Malawi, dass Projekte dieser Art von Organisationen zwar im ersten Moment erfolgreich umgesetzt werden aber die Instandhaltung nicht gesichert ist und dadurch die einst gebauten Brunnen o.ä. kaputt gehen, nicht repariert werden und dann mit der Zeit verwahrlosen und damit ihre Funktion verlieren.
Die von uns definierte Armut und die Umstände, in denen die Menschen vor Ort leben hatte ich in diesem Moment kurz ausgeblendet. Umso mehr hat mich dieser Anblick berührt, als uns im Nachhinein durch die Dorfgemeinde gezeigt wurde, wie die zu dem Zeitpunkt gegenwärtige Wassersituation war. Einige dieser Dorfgemeinden finden den Wasserzugang ausschliesslich in einem naheliegenden Wasserdamm, welcher in keiner Form geschützt und dadurch vollkommen verschmutzt ist. Andere Gemeinden verfügen bereits über einen Brunnen, in den meisten Fällen ist das Wasser aber so tief in der Erde, dass es mit Seil und Eimer kaum noch erreicht werden kann, vor allem nicht für die Versorgung aller Familien ausreicht und zudem noch verschmutzt ist. Der Klimawandel und damit einhergehend die immer weniger werdende und kürzere Regenzeit erschwert die Verfügbarkeit von Wasser zusätzlich, nicht nur im Hinblick auf die Eigenversorgung sondern auch auf die Bewässerung der Ackerfelder. Zudem wurde uns gezeigt, an welchen Stellen die neuen Brunnen – nach Überprüfung der durchzuführenden Baufirma – gebaut werden sollten und die Einheimischen schon bald mit sauberem Trinkwasser versorgen sollten.
Viele der in diesen wenigen Stunden gesammelten und vor allem prägenden Erlebnisse konnte ich im ersten Moment gar nicht richtig verarbeiten. Erst Tage, sogar Wochen später habe ich realisiert, wie zweiseitig die Eindrücke waren, wie extrem nah pure Armut und größte Freude beieinander sein können und gemeinsam existieren (können), wie unterschiedlich und doch komplett identisch wir sind mit den Menschen, die dort leben – ganz besonders wenn es um den Ausdruck von Glück, Dankbarkeit, Zuversicht und Nächstenliebe geht. Wie kompliziert die Probleme vor Ort teilweise sind, aber wie einfach es gleichzeitig auch sein können, irgendwie und irgendwo zu helfen. Leider habe ich nicht die Möglichkeit gehabt, mich mit den Einheimischen aufgrund der Sprachbarriere persönlich auszutauschen aber ganz viele Gesichter sind mir heute noch ganz präsent. Ich bin überzeugt davon, dass ein wahrhaftes und von Herzen kommendes Lächeln manchmal mehr als tausend Worte hinterlassen kann. Nicht nur in Afrika, sondern genauso auch hier in „unserer“ Welt.
Glücklicherweise wurde der Brunnenbau genau ein Tag vor meiner Abreise fertiggestellt. Dadurch konnte ich Kumanga e.V. noch dabei begleiten, den fertigen Trinkwasserbrunnen zu besichtigen. Zu meiner Freude war dieser Tag ebenso magisch und kraftvoll wie die Begrüßung in der vorherigen Woche. Der lang ersehnte Moment war nun endlich gekommen; die Einweihung des Trinkwasserbrunnens. Im Namen der Charity Yoga Initiative hatte ich die Ehre, den Trinkwasserbrunnen einzuweihen, indem ich die Pumpe das erste Mal betätigen durfte. Und genauso wie gehofft war es dann auch: Das Wasser floß aus der Pumpe – es wurde gejubelt, getanzt, geklatscht und gesungen. Unser Ziel wurde damit nicht nur erreicht, sondern auch wirklich umgesetzt – dank unzählig großzügiger Spenden. 51 Meter in die Tiefe wurde gebohrt um einen dauerhaften Zugang zum Grundwasser sicherzustellen, die Koordinaten des Trinkwasserbrunnens sind folgende: S 14° 5′ 27.691“, E 33° 52′ 21.609“. Die Gravur “Charity Yoga für Kumanga e.V.“ schenkt von nun an diesem Trinkwasserbrunnen seine Identität und Geschichte 🙂
Es war eine große Ehre mit dem so authentischen und engagierten gemeinnützigen Verein Kumanga e.V. kooperiert zu haben. Insgesamt wurden durch Kumanga e.V. 30 Trinkwasserbrunnen in Malawi gebaut – viele weitere Projekte stehen in Zukunft noch aus. Noch dankbarer bin ich dafür, dass ich durch Kumanga e.V. die Möglichkeit hatte, die Umsetzung des Projekts vor Ort zu begleiten. Diese Erfahrung war unglaublich wertvoll für mich, meine Perspektive zu erweitern – insbesondere im Hinblick darauf, eingeprägte Vorurteile, Klischees und Erwartungen zu durchbrechen und aufzulösen – und viele (alltägliche und selbstverständlichste) Dinge und Verhältnisse in einem anderen Licht zu sehen. Nicht nur im Rahmen der Projektbegleitung, sondern entlang meines gesamten Aufenthalts in Malawi gab es unzählige Momente, wo die Menschen vor Ort mir gezeigt haben, was es heißt, in Gemeinschaft zu leben und füreinander zu sorgen; wie es aussieht, die Freude im Moment zu finden und leben und den einfachsten und manchmal so „selbstverständlichsten“ Dingen im Leben mit größter Dankbarkeit und Würde zu begegnen. Eine wunderbare Erkenntnis zu sehen, wie viel wir voneinander lernen können, wenn wir hinschauen wollen. Auch wenn manche Dinge, Menschen oder Probleme so weit weg zu sein scheinen, teilen wir uns am Ende alle gemeinsam diesen einen Planeten, den es zu bewahren und zu beschützen gilt. Wir haben das Privileg dort zu leben, wo wir uns um die Versorgung von Trinkwasser keine Sorgen machen müssen, umso mehr gibt uns diese Ausgangslage die Möglichkeit, dort hinzuschauen, wo es anders ist und wir mit einem kleinen persönlichen Beitrag sehr viel großes bewegen und hinterlassen können und im Gegenzug sogar noch weitaus mehr zurückbekommen als wir uns es vorstellen können! Zu guter Letzt bedanke ich mich von ganzem Herzen bei allen Spendern und Spenderinnen und gleichzeitig Yoga-Praktizierenden, ohne die der Trinkwasserbrunnen niemals hätte gebaut werden können. Namaste!
Ein schöner Bericht und eine tolle Initiative, die du da ergriffen hast, Nadja! Vielen Dank an dich und alle Spender*innen des Projektes. LG